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Die Farbe von Glas von C.Lea

Titel: Die Farbe von Glas

Autor: Caroline Lea

Übersetzer: Anja Kirchdörfer, Leonie von Reppert-Bismarck

Verlag: HarperCollins

Seiten: 408

Gebundene Ausgabe

 

Klappentext:

Rau, düster und bitterkalt

Island 1686: Die junge Rósa leidet unter so bitterer Armut, dass sie befürchtet, den Winter nicht zu überleben. In ihrer Verzweiflung nimmt sie den Antrag des reichen Händlers Jón an, der eine Frau für Haus und Hof sucht. Rósa folgt ihm in sein Dorf und trifft bei den Einwohnern auf eine Mauer aus Argwohn und Ablehnung. Düstere Legenden ranken sich um Jón. Man erzählt sich, er habe seine erste Frau Anna umgebracht. Jón schweigt dazu unerbittlich. Einziger Trost für Rósa ist eine kleine Glasfigur, die er ihr zur Hochzeit schenkte. Trotz aller Widrigkeiten erscheint sie unzerbrechlich, während das Böse um Rósa herum immer greifbarer wird.

Als das Dorf eines Nachts von Schnee und Eis bedeckt wird, rückt die Bedrohung näher, und diesmal steht Rósa im Auge des Sturms.

 

Außerdem bist du viel zu willensstark, um eine gute Ehefrau zu sein.“ (S. 28)

 

Rósa ist eine selbstbewusste, 25 jährige, unverheiratete Frau. Ihr Pabbi war Pastor in Skálholt und ihre Familie hoch angesehen. Sie kann lesen und schreiben und kennt die Sagas (Geschichten und Legenden) von Island. Ihr Pabbi hat ihr erlaubt, bei ihm in der Kirche zu bleiben, statt eine gute Partie zu heiraten und das Dorf zu verlassen. Doch nach seinem Tod zog der Hunger ein und als ihre Mutter schwer krank wird, wurde der nahende Winter immer mehr zu einer Bedrohung. Sie wusste sich nicht anders zu helfen und hat das Angebot von Jón angenommen. Sie hat ihn geheiratet, obwohl es viele bunruhigende Gerüchte um Jón gibt. Doch Rósas Mutter bekommt durch die Verbindung regelmäßig Lebensmittel und Torf für ein Feuer; sie bekommt eine Chance den Winter zu überleben.

 

Nur ein kleines Kind kann so blind sein, das Dunkle in diesem Mann nicht zu sehen.“ (S. 28)

 

Jón ist ein angesehener Händler, sein Ruf eilt ihm voraus. Er ist außerdem das erwählte Oberhaupt des Dorfes Stykkishólmur. Seine erste Frau Anna ist verstorben. Es ranken sich viele Gerüchte um ihren Tod, die sogar bis nach Skálholt gelangen. Daher ist er sehr bemüht, weiteres Gerede zu vermeiden, vor allem in seinem eigenen Dorf. Er lebt abgeschieden von den übrigen Bewohnern auf einem Hügel und hat selbst vor seiner Ehefrau Geheimnisse.

In Rósa findet er eine gehorsame und gefügige Gemahlin. Sie putzt, flickt und kocht; sie befolgt seine Regeln und meidet das Dorf und seine Bewohner. Nichts erinnert an die selbstbewusste Frau aus Skálholt.

 

[…], doch diese seltsame Einsamkeit erträgt sie nicht. Sie fühlt sich wie der harte, gläserne, Anhänger, der um ihren Hals baumelt.“ (S. 109)

 

Es ist entsetzlich, wie sehr Einsamkeit jemanden verändern kann. Rósa vermisst nicht nur ihre Mutter, sondern Gesellschaft allgemein. Sie hört Nachts Geräusche, fühlt sich beobachtet und hat Angst etwas falsch zu machen. Sie verliert an Gewicht und Farbe, macht sich unsichtbar. Sie hält sich an der Glasfigur, die Jón ihr geschenkt hat, fest, als wäre sie ein Anker. So wird diese Figur zum Symbol für Rósa, dass sich durch die ganze Geschichte zieht. Daher macht der englische Titel „The Glass Woman“ mehr Sinn, als der Deutsche, auch wenn dieser poetischer klingt.

 

 

Ich hatte sie für zerbrechlich gehalten, als ich sie kennenlernte. Doch nun wusste ich, dass sich hinter ihrem gehorsamen Knicksen und dem tugendhaft gesenkten Blick ein stählerner Kern verbarg.“ (S.356)

 

Es wird aus Rósas und Jóns Sicht erzählt, wobei Jóns Geschichte in der Zukunft liegt. So ist Rósas Erzählstrang der aktuelle und wird am Ende mit Jóns zusammen geführt. Diese Erzählweise fesselt das Interesse und gibt mehr über Jón Preis, als jedes Gerede in Stykkishólmur es vermag.

 

Neben den Geheimnissen um Jón und seiner ersten Frau oder den Anspielungen auf Rósas Glasanhänger, ist das Buch sehr atmosphärisch. Island ist ein raues Land, im Winter sehr karg, im Sommer fruchtbar, immer gefährlich und in Bewegung. Viele Menschen verschwinden, nicht nur in Schneestürmen. Die Bewohner Islands sind gefangen zwischen dem christlichen Glauben der Kirche und den Naturgeistern. Die Beschreibungen der Landschaften und Naturgewalten sind bildhaft und mächtig.

 

Die Berge erheben sich wie eine schützende Hand rund um Stykkishólmur, als wollten sie das Dorf vor Unglück und neugierigen Blicken bewahren. Gestein ragt aus dem grünen Land hervor, die Knochen des Bodens, blank gescheuert in Jahren der Überbeanspruchung und Rodung. Das graue Skelett der Erde blitzt auf, nackt und roh.

Das Land erstreckt sich bis hinunter zum Strand, der wie eine schwarze Sandnarve vor der krausen Oberfläche des Meeres liegt[…]. Im Fjord liegen Tausende von Inseln verteilt, als hätte ein gereizter Trol wahllos Felsbrocken ins Wasser geworfen.“ (S. 71)

 

 

Wer ein spannungsgeladenes Abenteuer erwartet, wird enttäuscht. Wer aber eine düstere, atmosphärische Geschichte voller Zweifel, Angst und Geheimnisse erwartet, wird am Ende überrascht.  

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