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Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan von A.E.Lindner

Titel: Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan

Autor: Anni E. Lindner

Verlag: Francke

Seiten: 368

Taschenbuch

 

Klappentext:

Als ob ein Tagebuch ihren Scherbenhaufen von Leben besser machen könnte! Die 16-jährige Tally hat unerwartet ihren Vater verloren und das Letzte, was sie jetzt braucht, sind die Ratschläge ihrer selbst überforderten Mutter. Oder der merkwürdigen Therapeutin, die ihr empfiehlt, ihre Gefühle aufzuschreiben!

Erst als Tally zufällig Frau Möller kennenlernt, eine alte Dame mit einem Papagei sowie einer Vorliebe für Marzipan, und ihr das Foto von deren jung in den Krieg gezogenen Onkel in die Hände fällt, findet sie doch noch etwas, was sie zum Schreiben inspiriert. Außerdem sind da ja auch noch ihre beste Freundin Sanna und nicht zu vergessen Mr Wow, der eigentlich Timo heißt und Tally einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Dummerweise ist er Christ und mit diesem religiösen Quatsch kann sie so gar nichts anfangen ...

 

„Das Leben ist wie barfuß laufen. Manchmal habe ich frisches, kühles Gras unter den Füßen. Manchmal weiche Tannennadeln, warm von der Sonne und federnd bei jedem Schritt. Aber die meiste Zeit stolpere ich über spitzen, harten Kies, mit zusammengebissenen Zähnen, und versuche nicht zu schreien.“ (S. 153)

 

Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan reißt zu viele Themen an, die irgendwie Platz in der Geschichte finden müssen: Trauer, Ärger mit der Mutter, Sanna, Timo und der christliche Glauben, Frau Möller und Prinz Eugen, und ein Brief von Tallys verstorbenem Vater.

Tallys Trauer und ihr daraus resultierendes Verhalten sind für mich nicht nachvollziehbar, da sie besonders empfindlich und teilweise überreagierend erscheint, sodaß ich sie nicht ernst nehmen kann. Einerseits zieht sie sich in sich selbst zurück, vergleicht das mit einer einsamen Insel, andererseits sehnt sie sich nach körperlicher Nähe und Verständnis, aber weder von ihrer besten Freundin Sanna, noch von ihrer Mutter. Mit der Trauer treten die Teenager-Hormone zu Tage, denn sie möchte von starken, männlichen Armen gehalten werden, am besten denen von Mr.Wow.

Nur bei der betagten Frau Möller fühlt sich Tally leicht und ruhig, denn Frau Möller erwartet nichts von ihr und erfreut sich an der Gesellschaft. Als sie ein Foto von ihrem verstorbenen Onkel Eugen zeigt, ist es für Tally „Liebe auf den ersten Blick“ (S. 69) und sie beschließt, eine alternative Geschichte über ihn zu schreiben, in der sie ihre romantischen Phantasien ausleben kann. Diese Geschichte hebt sich in kursiv vom Rest des Geschehens ab.

 

Talitha Kramer, genannt Tally, erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive. Sie beginnt mit der Beerdigung ihres Vaters und mit der unendlichen Trauer einer verlorenen Tochter. Mir ist bewusst, daß jeder anders trauert, einige besser damit umgehen können als andere, manche sich zurückziehen oder alles hinausschreien. Trotzdem ist Tallys Fluchtinstinkt in sich selbst und aus Situationen, die ihr unangenehm sind, unverständlich, sogar für sie selbst.

 

Der Ärger mit der Mutter kommen wie typische Teenagerprobleme vor. Ihre aufgeflammte Liebesbeziehung zu ihrem ehemaligen Chef erscheint nicht nur für Tally übereilt. Es wirkt, als hätte die Mutter schon vor dem Tod von Tallys Vater eine Beziehung zu diesem Mann gehabt, was unnötig mehr Probleme zwischen Tally und ihrer Mutter forciert.

 

Neben der Trauer, der erdachten Liebesgeschichte, dem Ärger mit der Mutter, gibt es noch Tallys eigene Liebesgeschichte. Dabei kommt das Gefühl auf, die Autorin möchte nicht nur Tally vom christlichen Glauben überzeugen, die bis dahin überzeugte Nichtgläubige, aber von der Gemeinde um Sanna und Timo fasziniert ist. Niemand ist so hilfsbereit in einer anonymen Großstadt, wie diese christliche Gemeinde. 

Vielleicht sollen die Gespräche über Gott und den christlichen Glauben der oberflächlichen Beziehung zwischen Mr. Wow und Tally mehr Tiefe geben. Dies verdrängt sogar den Missmut über das „Gendern“ in Tallys Gedanken: „Ich finde, das sollte »Versorgungsbeauftragte*r heißen.“ (S. 137). Man zeige mir einen 16jährigen Teenager, der in Gedanken den Gender-Stern verwendet!

 

Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan ist ein übervolles Buch, was vor allem den Geschmack von Marzipan vermissen lässt, da Tally keines isst.

 

„Vergiss nie, dass es immer etwas geben wird, was du noch nicht weißt. Das macht die Sache spannend, verstehst du?“ (S. 333)

 

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