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Kitty Carter von J.Paradigi

Titel: Kitty Carter - Dämonenkuss

Autor: Jana Paradigi

Verlag: NovelArc

Seiten: 311

gebundene Ausgabe

 

Klappentext:

England 1862, das Jahr der Weltausstellung in London. Die 49-jährige Kitty Carter hat in ihrem Leben auf Liebe und Familie verzichtet, um als Frau einem Beruf nachgehen zu können. Sie arbeitet als unscheinbare Bürokraft bei der City of London Police. Ihr Talent für treffgenaue Vorahnungen ist das Einzige, was ihr den öden Alltag versüßt - bis sie das erste Mal stirbt und überraschend von Gott persönlich einen Auftrag erhält.

 

Durch die Chance auf ein zweites Leben beginnt Kitty nachzuholen, was sie im ersten Anlauf verpasst hat. Ihre neu gewonnene Abenteuerlust und ungeahnte Begierden lenken sie bald von der eigentlichen Aufgabe ab: der Jagd nach einem mörderischen Dämon. Während Kitty der immer länger werdenden Spur aus Leichen folgt, geraten die Grundfesten ihres Seins weiter ins Schwanken und sie muss sich fragen: Wie göttlich ist ihre Mission wirklich?

 

Alle, die Sherlock Holmes, Mystik und Romance gleichermaßen lieben, haben mit Kitty Carter eine faszinierende neue Heldin gefunden. Die Detektivin aus dem Jenseits erforscht bei der Dämonenjagd ihre magisch-mystischen Fähigkeiten ebenso wie ihre lang verdrängten Träume und erotischen Begehren.

 

"Kitty Carter - Dämonenkuss" verbindet moderne Urban Fantasy mit einem historischen Krimi im Viktorianischen England - als wäre "Miss Fishers mysteriöse Mordfälle" zu einem magischen Steampunk-Abenteuer aufgebrochen.

 

„Menschen können keine Engel werden, denn im Leben begeht jeder mindestens eine Sünde.“ (S.33)

 

Ich lerne immer auf die harte Tour, daß ich Bücher und Autoren genauer recherchieren sollte, bevor ich nach einem Rezensionsexemplar frage. In der Buchvorstellung, die mir dieses Exemplar schmackhaft gemacht hatte, stand nichts vom „erotischen Begehren“ (Klappentext oben), das mich eher zögern ließe. Doch moderne Urban-Fantasy verbunden mit einem historischen Krimi im viktorianischen England spricht mich sehr an. Und so ist Kitty Carter bei mir eingezogen und ich habe mich sehr auf dieses Buch gefreut.

 

Nach 182 Seiten der Geschichte und dem Abschlußwort der Autorin habe ich das Buch abgebrochen. Ich war schon nach der Hälfte des Buches geneigt, es beiseite zu legen, doch dieses letzte Kapitel war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat. Doch ich beginne lieber am Anfang.

 

Kitty Carter ist 49 Jahre alt und hilft der Londoner Polizei mit ihrem Bauchgefühl und ihren Vorahnungen zu einer außergewöhnlich hohen Aufklärungsrate. Trotz all ihrer Selbstständigkeit, so ganz ohne eigene Familie, ist sie immer noch nur eine Frau in den Augen der Constables und ihres Chefs Patt Wallet.

Im ersten Kapitel wird nicht nur ein detailliertes Bild von Kitty gezeichnet, sondern auch von der Welt, in der sie lebt. „Eine Frau, die einem Beruf nachging, war zwar nichts gänzlich Exotisches, aber eben auch nichts, was von der dominierenden Männerwelt beklatscht wurde.“ (S. 13) Die Autorin wird nicht müde zu betonen, wie dominant diese Männerwelt ist und wie unterdrückt Kitty als Frau ist.  „Sie hatte viele Entbehrungen erduldet, weil die Gesellschaft es so verlangt hatte. Oder besser gesagt, weil sie sich diesen gesellschaftlichen Normen unterworfen hatte. […] Wie ein ewiges Theaterstück, bei dem Frauen in alte vorgefertigte Rollen schlüpften, die viele von ihnen überhaupt nicht spielen wollten.“ (S. 167) „Ihre Freundin war zu sehr in ihrer antrainierten Geschlechterrolle gefangen, um sich an Kittys Seite gegen zwei Männer in Amt und Würden zu stemmen.“ (S. 177)

Wenn man bedenkt, daß Kitty ihr Leben alleine bestreiten möchte und dafür bei der Polizei arbeitet, und betont, wie unabhängig sie von dieser Konventionen ist, kommt mir nur eine Frage auf: Warum bezahlt ihr Vater ihr dann immer noch eine Wohnung inklusive Dienstmädchen? Das ist nicht sehr unabhängig. Aber das ist vielleicht auch nebensächlich. Viel störender finde ich das Verhalten dieser 49jährigen Frau. Nach ihrem Unfall und einem Gespräch mit Gott, kommt Kitty als sogenannter Dämon zurück auf die Erde und weiß nichts über ihr neues Leben. Sie weiß nicht, ob und von was sie sich ernähren muß, ob es bestimmte Verhaltensregeln gibt und ob noch mehr Dämonen in London existieren, außer dem, den sie suchen soll. Alles in meinen Augen essentielle Dinge.

Ihre erste Aktion gilt ihrer Leiche. Da sie nun wieder unter den Lebenden wandelt, muß sie den Beweis ihres Todes verheimlichen. Völlig ungeplant bricht sie in die Leichenhalle ein. Keine Ahnung, wie sie den Körper weg bringen soll, geschweige denn, wohin. Dies ist kein Einzelfall; Kitty kommt eine Idee und sie stürmt sofort los. Soetwas erwarte ich von Jugendlichen, nicht von Frauen, die schon einiges erlebt haben sollten.

Als Dämon treten Gefühle leichter an die Oberfläche. Bei Kitty ist das eine Begierde gegenüber ihres Chefs Patt Wallet und ständig kommen ihr erotische Phantasien in den Sinn. Doch bei einem ihrer ungeplanten Abenteuer in den Untergrund verfällt sie durch die Gefühle der umstehenden Leute in einen Rausch und erkennt plötzlich, daß sie diesen Mann, von dem sie zahlreiche Phantasien hatte, gar nicht will. Sie begehrt eine völlig Fremde, mit der sie einmal nicht so nett aneinandergeraten ist. Zack! Kitty ist lesbisch?! 

Zumindest suggeriert dieses „Ein Wort zum Schluß“ der Autorin, daß sie genau das für Kitty im Sinn hatte. Laut der Autorin wurde sie zu einem Roman inspiriert, in dem „[…] eine divers angelegte Frau mit neunundvierzig Jahren die Hauptrolle spielt.“ (S.309)

 

Laut Wikipedia (01.09.2022 gegen 18:30 Uhr) bezieht sich divers auf einen Geschlechtseintrag, der auf die biologische Intergeschlechtlichkeit zurückzuführen ist. Ob dies auch auf eine nichtbinäre Geschlechtsidentität bezogen werden kann, unabhängig vom biologischen Geschlecht, ist rechtlich noch ungeklärt.

 

Kitty Carter macht auf 182 Seiten nicht den Anschein, als wäre sie nicht weiblich trotz ihres weiblichen Körpers. Demnach ist sie nicht divers, sondern eindeutig eine Frau. Vielleicht steht sie auf Frauen, wobei ich die Szene eher einem Rausch als einer Lebensentscheidung zugeordnet habe, vor allem nach diesen ganzen erotischen Begierden ihrem Chef gegenüber. Aber wer weiß, was sich auf den letzten 120 Seiten zugetragen hat. Vielleicht hat sie ja tatsächlich nicht nur die Liebe ihres Lebens im Körper einer Frau gefunden, sondern hat sich nach ihrem Auftrag in einen männlichen Körper transferieren lassen, da sie doch divers ist.

 

So oder so kommt mir dieses ganze diverse Zeug ebenso künstlich vor, wie der feministische Gedanke von Kitty Carter. Es passt einfach alles nicht in ein London von 1862, wo alles sehr viel strenger und konventioneller war. Leider hat die aktuelle Politik sich in dieses Buch eingeschlichen und mich damit rausgeworfen. Diese moderne Urban-Fantasy ist mir zu modern. Ich mag die viktorianische Zeit in Büchern, vor allem in Zusammenhang mit Steampunk.

Obwohl die Autorin im ersten Kapitel einen tollen Start hingelegt und die Atmosphäre ganz gut eingefangen hat, war der Rest einfach nur oberflächlich, Kitty zu ungestüm und das ganze enervierend.

Ich hatte große Hoffnungen in dieses Buch, die Aufmachung ist gelungen und die Grundidee spannend. Und dann kam das Moderne und Kitty Carter ist zu einem Teenager verkommen. Wenigstens passt der Name besser als zu einer 49jährigen, deren Vater sich Sorgen um den Ruf der Familie macht.

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